Back- und Braufreunde Schwaney e.V.

Wie früher Brot auf den Bauernhöfen gebacken wurde

Eine Geschichte der Schwaneyer Heimatdichterin Theresia Beine (auch genannt „Treschen Tante“)
aus der Reihe „Hermannonkel erzählt aus alten Zeiten“.
Theresia Beine wurde am 10. Dezember 1901 in Schwaney geboren und lebte auch hier bis zu ihrem Todestag 11. November 1968.


Der Winter mit den langen, dunklen Abenden war wieder ins Land gezogen. Auf dem Wiesenhofe ging es jetzt sehr ruhig zu. Das Korn war ausgedroschen, Feld und Flur lagen unter einer weißen Schneedecke. Gemütlich war es abends in der großen Bauernstube, die mollig durch-wärmt war. Hermannonkel saß am Ofen und wärmte sie die Füße. Da kamen die Kinder mit ihren Weihnachtstüte; knackten Nüsse und aßen Plätzchen. Hermannonkel erhielt auch knuspriges Gebäck. „Kinder“, sagte er, „solch schönes, weiches Backwerk gab es in meiner Jugendzeit noch nicht.“
„Da hatte man keine elektrischen Herde, worin sie heute die schönsten Kuchen backen. Alles wurde im großen Backofen gebacken. Ja, früher wurde das Brot nicht vom Bäcker geholt. Jede Familie auf dem Dorfe backte selbst das tägliche Brot. Kinder, das war gar nicht so einfach, es mußte auch gelernt sein.“
„Wir hatten in meiner Jugendzeit ein richtiges Backhaus. Es stand da, wo jetzt die neuen Schweineställe sind. Es war ein richtiges kleines Häuschen mit einem Schornstein auf dem Dach. Darin war ein ziemlich großer Backofen. Vorne, wenn man zur Tür reinkam, war ein leerer Platz, dort standen die Backbretter an den Wänden und die Brotschaufel, womit man das Brot einschob und auszog. An einer Seite standen zwei Holzböcke, darauf wurden die Bretter mit den Broten gelegt.“

Roggen und Weizen

„Wir backten von unserem eigenen Korn, das war eine Mischung von Roggen und Weizen. Der Mühlenknecht holte das Korn von der Bühne und brachte das Mehl auch wieder. Er hatte ein paar schöne Rappen vor dem Wagen, das Handpferd hatte eine Schelle am Halsband, so daß man es schon von weitem hörte, wenn es kam.“
„Das Mehl kam hinter dem Ofen auf die Bank. Zur Winterszeit mußte es dort erst ein paar Tage stehen, damit es richtig durchwärmt wurde. Mutter sagte immer: ‚Je wärmer das Mehl, je besser das Brot.‘ Wenn wir nun backen wollten, holten Mutter und Lina, unsere Großmagd, den großen Backtrog aus der Vorratskammer und stellten ihn auf die Bank. Dann mußte ich schnell nach Hiersels laufen und von Bettkenvase(1) den Sauerteig holen. Mutter tat Mehl in den Trog, dann machte sie eine kleine Vertiefung und tat den Sauerteil hinein.“
„Unterdessen hatte Lina zwei Eimer voll lauwarmes Wasser aus der Küche geholt. Mutter streute dann Salz auf den Sauerteig und goß das Wasser darauf. Danach wurde alles mit Mehl vermengt. Oben drüber kamen noch ein paar Handvoll getrocknetes Mehl, dann machte sie noch ein Kreuz darauf. Eine Gaffel(2) wurde darüber gelegt und dann der Trog mit einem weißen Leinentuch zugedeckt. ‚Kinder‘, sagte dann die Mutter, ‚nun klettert mal schnell auf die Abseite und werft Backholz herunter!‘ Das habe ich dann immer gemacht. Ich wußte genau, wieviel Splitten unser Vater zum Heizen brauchte. Das Holz trugen wir ins Backhaus und nahmen die Backbretter mit in die Stube.“

Großes, helles Feuer

„Am anderen Morgen, wenn wir noch tief in den Kissen lagen, machte Vater das große Feuer im Backofen an. Mutter knetete Mehl zwischen den gesäuerten Teig und legte ihn in großen Ballen auf den Tisch. Dort mußte er noch etwas aufgehen. Wenn wir aufstanden, liefen wir zum Backhaus und bewunderten das große, helle Feuer. Nachher machte Mutter auf dem großen Tische Brote. Dazu mußte sie den Teig kneten, rollen und wiederum kneten, bis zuletzt ein Brot daraus wurde. Die Backbretter lagen auf Stühlen, darauf wurde das fertige Brot gelegt. Mutter stach dann ein- bis zweimal mit dem Brotmesser ein Loch in die Brote. Wenn aller Teig geformt war, trug Vater die Backbretter mit den Broten ins Backhaus, dann säuberte er den Backofen von den Kohlen und schob nach eingehender Prüfung das Brot hinein. Mutter hatte einen großen Sauerteig gemacht, den brachte einer wieder nach Hiersel. Wir durften nicht vergessen zu sagen: ‚Jou sull vielmals bedanket soin(3)‘.“

Drei Stunden lang

„Drei Stunden mußte er backen, dann wurde er herausgezogen, sofort mit kaltem Wasser abgewaschen und bis zum Abend hingelegt. Wir brachten es dann auf die Kornbühne. Dort war eine Brottrage angebracht. Sie war so geschickt angelegt, daß es keinem Mäuslein gelang, an unserem Brot zu naschen. Nach Allerheiligen trockneten wir dann im Backofen die kleingeschnittenen Zichorien, die wir für den täglichen Kaffee brauchten. Auch Obst, besonders Birnen und Pflaumen, wurden im großen Backofen getrocknet.“


(1) Bettkenvase: "Bettken" ist die Abkürzung für Elisabeth. "Vase" der Ausdruck für Tante. Also Tante Elisabeth.

(2) Gaffel:  Zweizinkige, hölzene Gabel oder Forke.
(3) Niederdeutsch: Euch soll vielmals gedankt sein.

Gedruckt im „Westfälischen Volksblatt“, am 31. Dezember 1963